„Als meine Mutter bemerkte, dass die Wehen einsetzten, ich also im Begriff stand, das Licht der Welt zu erblicken, waren seit der Kapitulation der Wehrmacht keine drei Wochen vergangen und die Alliierten besetzten München.“
„Meine Eltern, Margot Rupp und Willem Holsboer, waren beide Schauspieler in München. Mein Vater war in München Intendant des Volkstheaters, spielte in den Kammerspielen und dem Residenztheater, in den 1950er Jahren trat er im Züricher Schauspielhaus auf. Meine Mutter ging zum Film.“
„Da meiner Mutter eine Rolle in einem Film angetragen wurde, in der sie eislaufen sollte, bekam ich als Kind Schlittschuhe. Als Fünfzehnjähriger brachte ich es zu dem Titel eines deutschen Jugendmeisters im Eiskunstlauf.“
„Als Schüler war mir bald klar, was ich einmal werden wollte: Chemiker. So machte ich 1965 das Abitur und freute mich auf die Freiheit des Studentenlebens.“
„Das Chemiestudium war im Vergleich zur Schule die reine Freude. Bei einem Auslandssemester in Oxford lernte ich die „Swinging Sixties“ kennen und es zog mich oft vom Campus nach London. 1967-68 war ich Fachschaftssprecher und gehörte dem liberalen Studentenbund an.“
„Nach München zurückgekehrt, war ich fest entschlossen, zu beweisen, dass man eigentlich gar nicht mehr ins Labor müsse, weil man alles um Voraus mit quantenmechanischen Verfahren berechnen könne. Tatsächlich kam ich zu einem sehr wichtigen Ergebnis. Dies veröffentlichte ich noch während des Studiums in einem angesehenen Fachjournal. Ins Labor musste man aber dennoch.“
„Die Jahre meiner Chemie-Doktorarbeit sollten, so mein Plan, zur Erfüllung aller meiner beruflichen Träume werden. Später jedoch kamen mir Zweifel, ob mich die Probleme der physikalischen Chemie auf Dauer ausfüllen würden. Ich dachte, der Hirnforschung gehen die Probleme nie aus und studierte Medizin, um Neurowissenschaftler zu werden.“
„Mich faszinierte der Gedanke, das, was ich in der theoretischen und physikalischen Chemie gelernt hatte, auf biologische und medizinische Probleme anzuwenden. Schnell wurde mir klar, dass man in der Psychiatrie Labortests benötigte, um Diagnosen überhaupt erst objektiv erstellen zu können. Mein Anspruch war: „I want to make predictions, correlations are boring“ („Ich möchte Voraussagen machen, Korrelationen langweilen mich“).
„Ich lernte, dass bei Patienten mit Depression die Blutkonzentration der Stresshormone erhöht ist und dass sich dieser Befund allmählich im Verlaufe erfolgreicher Therapie normalisierte. Ich kam zu dem Schluss, dass die zur Erhöhung der Stresshormone führenden Mechanismen des Gehirns auch an der Entstehung und der Depression beteiligt sind.
„In dieser Arbeit wurde erstmals gezeigt, dass eine graduelle Normalisierung der Stresshormonaktivität prognostisch günstiger ist als anhaltende Überaktivität.“
„Der Ansatz, den ich in Mainz verfolgte, war neu. Ich wollte die Frage lösen, in welcher Beziehung die Veränderungen der Hormone und des Schlafs zueinander stehen. Dort zeigte ich auch, welch zentrale Rolle ein neu entdecktes Stresshormon des Gehirns für die Depressionsentstehung hat. Die Hypothese, dass die Stresshormone des Gehirns bei Veranlagung zur Depression die Krankheit auslösen, traf bei Internisten auf Skepsis. Bei einem Internistenkongress in Bayern entstand dann auch ein beziehungsreiches Bild.“
„Inzwischen waren mein wissenschaftlicher Ansatz und meine Forschungsergebnisse in Amerika bekannter als in Deutschland. Wenn ich also in Deutschland und nicht in Amerika Karriere machen wollte, musste ich mich auch hier profilieren. Ich schlug daher ein Angebot der Universität von Buffalo im Bundesstaat New York aus und ging stattdessen nach Freiburg.“
„In meiner Antrittsrede fokussierte ich auf die Wechselwirkung zwischen veränderter Hormonsekretion in Befunden und Verhalten in höherem Alter und seine medizinischen, sozialen und ökonomischen Konsequenzen.“
„Als Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie nahm ich rasch größere Veränderungen vor. Mein zentraler Gedanke war, das Institut in einen Wirtschaftsbetrieb umzuwandeln. Aus der Ansammlung vieler isolierter ‚Kleinstbühnen’ sollte eine Bühne mit weltweiter Strahlkraft werden. Ich wollte im Institut ein ‚Wir’-Gefühl erzeugen und eine Durchdringung von klinischer und Grundlagen Forschung erreichen. Somit folgte ich der Vision von Emil Kraepelin, dem Gründer des Instituts im Jahre 1917 und Vorreiter einer neurobiologisch orientierten Psychiatrie.“
„Die an unserem Institut entwickelte Hypothese, die bei vielen Depressiven beobachtete andauernde Erhöhung der Stresshormone, insbesondere des Cortisols, sei das Ergebnis der Störung eines spezifischen Regulationsmechanismus, der auch die Depressionsentstehung begünstigt, fand Bestätigung. Dabei nutzen wir molekularbiologische, genetische und verhaltensbiologische Methoden. Im gleichen Jahr veröffentlichten wir die erste Studie, bei der ein grundsätzlich neuer Wirkmechanismus getestet wurde. Der Angriffspunkt war nicht mehr wie üblich Noradrenalin und Serotonin, sondern das zentrale Stresshormon des Gehirns, abgekürzt CRH.“